Verglichen mit der westlichen Technik des Holzschnitts,
nach der mit einer Walze aufgetragene Ölfarbe
mit Hilfe einer Presse auf die Oberfläche des Papiers gedruckt
wird, wird nach der japanischen Technik die mit Pinseln aufgetragene
Wasserfarbe mit der Hand gedruckt, wobei sie
tief ins Papier eindringt. Dadurch wirken Holzschnitte,
die mittels dieser Technik gedruckt wurden, äußerst malerisch
und ähneln eher Aquarellen.
Geschichte
Der Holzschnitt kam vermutlich um das 8. Jahrhundert aus
China nach Japan. Zu dieser Zeit bestand ein intensiver
kultureller Austausch zwischen den beiden Ländern. Stark von China
beeinflusst, entstanden um 770 im Auftrag der Kaiserin Shotoku die buddhistischen
Zaubersprüche dharani, die, in hoher Auflage, vermutlich von Holz-
oder Metallblöcken gedruckt wurden. In der Frühzeit wurde der
Holzschnitt ausschließlich in buddhistischen Klöstern
praktiziert, wo auf diese Weise buddhistische Texte und Bilder
vervielfältigt wurden. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts entstanden
private Druckereien, die mittels der Technik des Holzschnitts Bücher
druckten. Vorübergehend geschah dies mit beweglichen Lettern. Anfänglich
wurden für elitäre Kreise Luxusausgaben japanischer Klassiker
u. ä. gedruckt, später auch unterhaltende Literatur wie Heldengeschichten
und Liebesromane, die sich an ein größeres Publikum wandten
und mehr und mehr illustriert wurden.
Grundlage für die große Blüte des Holzschnitts
waren die politischen und gesellschaftlichen Bedingungen während
der Edo-Periode (1603-1868). Es herrschte, nach jahrhundertlangen
Bürgerkriegen, eine Zeit innenpolitischen – wenn auch restriktiven
– Friedens. 1603 hatte der Fürst Tokugawa
Ieyasu eine entscheidende Schlacht gewonnen und übernahm das Amt
des Shogun, welches bis 1868 ausschließlich von
Mitgliedern seiner Familie besetzt blieb. Er machte sein Hauptquartier,
das Fischerdorf Edo (heute Tokyo), zur neuen Hauptstadt,
um Abstand zum Kaiserhof in Kyoto zu wahren. Die neue Hauptstadt wuchs
schnell und zog zahlreiche Handwerker und Kaufleute an, so dass eine wohlhabende
Bürgerschicht entstand. In Folge entwickelte sich ein blühendes
kulturelles Leben, auch dadurch, dass den Bürgern von der Regierung
jegliche politische Mitwirkung verwehrt und der Kontakt mit der Welt außerhalb
Japans verboten war. So investierten die wohlhabenden Bürger ihre
Energie in genussvolle Vergnügungen. Sehr beliebt waren das neue
Volkstheater kabuki und der Ringkampf sumo, aber auch Bordellviertel wie
das bekannte yoshiwara mit seinen Prostituierten. Den Geist dieser neuen
Zeit drückten die gemalten oder gedruckten "ukiyo-e"
aus, was mit "Bilder der fließenden Welt" übersetzt
werden kann. Der preisgünstige, reproduzierbare Holzschnitt ? bot
sich als perfektes Ausdrucksmittel dieser bürgerlichen Kultur an.
Die damaligen Holzschnitte entstanden in Zusammenarbeit
von einem Verleger, der die Herstellung des Drucks organisierte,
einem Künstler, der, oft auf genaue Anweisung des Verlegers,
das Motiv entwarf, sowie Schneidern und Druckern.
Die zunächst schwarz-weißen Holzschnitte
(sumizuri-e) wurden bald von Hand nachkoloriert
(sumizuri-hissai). Die Palette der zur Verfügung stehenden
Farben vergrößerte sich nach und nach, außerdem
wurde Metallstaub verwendet. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts
wurde begonnen, von mehreren Platten zu drucken und die Technik
des Schneidens der Passmarken kento wurde
erfunden. Diese Technik ermöglichte das passgenaue Übereinanderdrucken
von mehreren Platten. Der Künstler Harunobu brachte diese Technik
als einer der Ersten zur Vollendung, als er Drucke mit mehr als
20 Platten entwarf. Diese prachtvollen neuen Drucke wurden
"Brokatbilder" genannt (nishiki-e).
Die Bilderthemen der Holzschnitte
waren vielfältig. Anfänglich wurden vor allem Schauspieler
und Personen aus Legenden dargestellt, beispielsweise von den Künstlern
der Torii-Schule. Der Künstler Harunobu schuf viele Holzschnitte
mit Szenen aus dem alltäglichen Leben mit subtilen Darstellungen
der Beziehungen der Protagonisten. Utamaro war berühmt für
seine feinen Portrait?s schöner Frauen. Zum Ende des 18. Jahrhunderts
wurden auch Landschaft und Tiere Thema von Holzschnitten, geschaffen
beispielsweise von den großen Holzschnittkünstlern Hokusai
und Hiroshige.
Abb.: Nachdruck eines Holschnitts von Harunobu
Suzuki
Mit der von Amerika erzwungenen Öffnung
Japans im Jahr 1853 begann sich Japan
stark an den Ländern des Westens anzulehnen. Der Shogun wurde
abgesetzt und Kaiser Meiji bestieg 1868 den Thron.
Ganz im Gegensatz zu vorher, als Ausländerkontakte bei Todesstrafe
verboten waren, war nun die Auseinandersetzung mit dem Westen Pflicht.
So wurden auch westliche Drucktechniken in Japan eingeführt.
Der traditionelle Holzschnitt verlor seine Bedeutung. Die in den
Westen exportierten japanischen Drucke erregten dort allerdings
größte Bewunderung und sollten ganze Kunstströmungen
wie den Jugendstil und eine Plakatkunst-Bewegung (z.B. mit Toulouse-Lautrec),
sowie zahlreiche einzelne Künstler wie van Gogh und Gauguin
stark beeinflussen. Umgekehrt ließen sich auch japanische
Künstler, die in Europa studiert hatten, von europäischen
Druckgraphikern, die ihre Platten selbst schnitten und druckten,
beeinflussen. Es entstand die sosaku-hanga-Bewegung
("kreativer Druck"), deren Künstler den
ganzen Arbeitsprozess in die eigenen Hände nahmen, sowie modernere
und zeitgemäßere Bilderw?elten entwickelten. Dem stand
die shin-hanga-Bewegung
("neuer Druck") gegenüber, deren Verleger, allen
voran der Verleger Watanabe, unter Beibehaltung der traditionellen
Arbeitsteilung Künstler mit den Entwürfen von Drucken
beauftragten, die sich in ihren Motiven an die traditionellen Bilderwelten
anlehnten.
Die heutigen Holzschnittkünstler arbeiten zwischen Anlehnung
an den traditionellen Holzschnitt und zeitgenössischen Umsetzungen.
Technik
Das traditionell verarbeitete Holz des japanischen
Holzschnitts ist die japanische wilde Kirsche.
Abb.: diese Druckplatte aus Kirschholz wurde vor
ca. 70 Jahren nach einem Motiv Harunobus nachgeschnitten (Druck
siehe oben). Die Registrations-marken kento befinden sich
auf der linken Seite der Platte.
Aus dem Besitz von Frau Keiko Kadota, erhalten von dem Meisterdrucker
Tadashi Toda
Geschnitten wird mit verschiedenen Messern,
die wie alle japanische Messer durch das Zusammenschmieden von hartem
und weichem Stahl äußerst scharf geschliffen werden können.
Die Außenkanten der stehenbleibenden Linien und Flächen
werden mit dem Linienmesser hangi-to in
der Faust geschnitten. Zum Entfernen der restlichen Flächen
werden Hohl- und Flacheisen verwendet.
Gedruckt wird mit der Hand. Auf den feuchten Block
wird Wasserfarbe sowie seperat eine stärkehaltige Druckpaste
gegeben und mit einem Druckpinsel zu einem gleichmäßigen
Film vermischt. Das feuchte Papier wird in den Passmarken kento
angelegt und mit dem Reiber baren abgerieben.
Abb.: Anlegen des Papiers an den Passmarken und
Druck
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Pietzcker, Eva: "Japanischer Holzschnitt – Die Technik",
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