Japanisches Papier - washi
Zur Herstellung japanischer Holzschnitte unverzichtbar ist das
in Handarbeit hergestellte japanische Papier, washi genannt. Seine
Besonderheit liegt in der Verwendung langfaserigen
Pflanzenbasts und der speziellen japanischen Schöpftechnik, dem
nagashi-zuki. Im Gegensatz zum westlichen Holzschnitt,
bei dem eine Schicht Ölfarbe auf die Oberfläche des Papiers aufgedruckt
wird, dringt beim Handdruck eines japanischen Holzschnitts die Wasserfarbe tief
ins Papier ein. Das sehr strapazierfähige und saugfähige japanische
Papier ist in der Lage, die Farbe gleichmäßig aufzunehmen und den
teilweise wiederholten Druckgängen standzuhalten, ohne sich zu verformen.
Washi hat in Japan eine alte Tradition und wurde im Lauf
der Jahrhunderte zu den verschiedensten Zwecken eingesetzt. In dem uns bekannten
Sinn wurde es als Briefpapier, für Kaligraphien, Holzschnitte, Bücher
und zum Verpacken von Geschenken und Kleidern verwendet, aber es wurden damit
auch Lampen und Schirme hergestellt, sowie die Schiebetüren im Haus beklebt.
Aus Papier wurden Kleider und Schnüre gewebt und imprägnierte Regenmäntel
hergestellt. Geformt und mit Lack überzogen diente es zur Herstellung von
Dosen oder der Scheibe des baren (
japanischer Holzschnitt), sowie seiner
Leichtigkeit und Stärke wegen zum Bau von Feuerwerkskörpern und auch
als Klopapier.
Auch im spirituellen Leben wurde und wird washi verwendet, z.B. an heiligen
Orten des Shintoismus.
Geschichte
Die Geschichte des Papiers beginnt in China.
Als Erfinder gilt der Hofbeamte Ts'ai Lung, der sein Papier im Jahr 105. n.
Chr. dem damaligen Kaiser Ho Ti präsentierte. Dieses Papier bestand aus
Maulbeerbäumen, Hanf, Rinden, alten Fischernetzen und Lappen. Das Papier
wurde in kürzester Zeit sehr beliebt und ersetzte bald die bis dahin zum
Schreiben verwendeten Bambusstreifen.
Im Jahr 610 wurde das Papier von dem koreanischen buddhistischen Priester und
Handwerker Danchó der japanischen Kaiserin Suiko vorgestellt (einige
Quellen sagen, dass Papier schon vorher in Japan bekannt war). Ein Prinz Suikos,
Shotoku, verbesserte dieses Papier durch die Verwendung der Rinde der Maulbeerbaumart
kozo.
Schon im 8. Jahrhundert war die Papierherstellung weit entwickelt: die Papiere,
die um 770 zum Druck der buddhistischen Zaubersprüche dharani verwendet
wurden, zeigen hohe Qualität und waren teilweise gefärbt oder auf
eine spezielle Weise gestaltet. Hergestellt wurden die Papiere aus Hanf und
kozo.
Zu dieser Zeit hatten nur Aristokraten Zugang zu Papier, die damit gerne buddhistische
Sutren kopierten. Anfang des 9. Jahrhunderts entstand eine große kaiserliche
Papiermühle in Kyoto, um den Bedarf zu stillen, das kanya-in.
Mit dem Verfall der kaiserlichen Macht ging es auch mit dieser Papiermühle
bergab, und das Wissen über die Papierherstellung verbreitete sich unter
dem Volk. Es entstanden private Papierwerkstätten, vor
allem in Bergdörfern. Als im japanischen Mittelalter die Verhältnisse
etwas demokratischer wurden und sich die Handelsbedingungen verbesserten, begünstigte
dies auch das Papierhandwerk.
In der Edo Periode (1603 - 1867) unterhielten die Daimyos (Provinzfürsten)
eigene Papiermühlen. Papier wurde als Tribut an den Shogun
abgegeben. Die Papiermacher bürgten mit ihrem Leben für die Qualität
ihres Papiers.
Nach der Öffnung Japans orientierte sich das neue Regime des Meiji-Kaisers
sehr an den westlichen Ländern und führte, auch wegen des enorm gestiegenen
Bedarfs nach Papier, die maschinelle Papierproduktion ein.
Die traditionelle Papierherstellung verlor an Bedeutung, und die Zahl der Papierwerkstätten
verringerte sich rapide. Dennoch blieb dieses Handwerk bis heute erhalten, wenn
auch die Herstellung wirtschaftlicher gehandhabt wird und für manche Arbeitsschritte
Maschinen oder Chemikalien eingesetzt werden. Handgemachtes Papier hat auch
heute seinen festen Platz in der japanischen Kultur.
Technik
Papiermachen war in alten Zeiten oft ein Nebenerwerb der Bauern,
vor allem derjenigen, die in den Bergen lebten und dadurch nicht viel Land zum
Reisanbau, aber viel klares Wasser in den Flüssen hatten. Die ganze Herstellung
von der Ernte der Bäume bis zum Schöpfen lag in der Hand der Papiermacher.
Die Saison begann meist im November mit dem Ende der Reisernte und endete im
April oder Mai, wenn der Reis gepflanzt wurde. Die Kälte des Winters begünstigte
die Papierherstellung durch ein leichteres Bearbeiten der Rinde und natürliche
Konservierung der Materialien. Heute wird das ganze Jahr über Papier gemacht.
Material
Die traditionellen Pflanzen, aus denen Fasern zur Papierherstellung
gewonnen wurde, sind der Maulbeerbaum kozo und die Büsche gampi
und mitsumata. Im Folgenden gehe ich auf den Gebrauch des wildwachsenden
kozo (Broussonentia Kajinoki) ein.
Abb.: Zweig des kozo
Ernte
Die Äste des kozo werden im November, nach dem Abfallen
seiner Blätter, geerntet. Sie werden dazu kurz über der Erde abgeschnitten,
in gleiche Längen geschnitten und gebündelt.
Dünsten der Zweige, Abziehen und Bearbeitung der Rinde
Zur Papierherstellung wird nur die innere weiße Rinde
des Asts verwendet. Die Rinde muss daher vom hölzernen Kern des Asts abgezogen
werden. Um dies zu erleichtern, werden die Zweigbündel ein bis zwei Stunden
gedünstet. Dies geschieht in einem luftdichten Fass oder Kasten, unter
dem ein Kessel mit kochendem Wasser steht.
Nach dem Dünsten sind die Rinden weich. Indem die Rinde gegen das Astinnere
gedreht wird, entsteht ein loses Ende, von dem sich die Rinde leicht abziehen
lässt. In diesem Zustand wird die Rinde "schwarz" genannt nach
der dunklen Außenrinde. Wenn sie nicht sofort weiterbearbeitet werden
soll, kann sie getrocknet und gelagert werden.
Abb. links: Dünsten der Zweige; Abb. rechts: Abziehen der
äußeren Rinde
Ansonsten wird die schwarze Außenrinde und die darunter
liegende grüne Rinde mit einem scharfen Messer abgekratzt. Verletzungen
oder Astlöcher werden entfernt. Auch die jetzt weiße Rinde kann getrocknet
und bis zu einer Weiterverarbeitung gelagert werden.
Abb. links: Die abgezogenen Rindenin "schwarzem" Zustand;
Abb. rechts: Entfernen der äußeren schwarzen und grünen Rinde
Das Dünsten und Abziehen der Rinden war eine beliebte Gemeinschaftsarbeit,
zu der alle Altersgruppen und beide Geschlechter zusammenkamen.
Kochen der Rinden
Das Kochen und Waschen der Rinden hat großen Einfluss
auf das Endergebnis des Papiers. Eine zu lange Kochzeit oder falsche Dosierung
der dazu verwendeten Chemikalien kann das Papier schwach oder klumpig machen.
Art und Länge des Waschens haben starken Einfluss auf die Farbe und Härte
des Papiers.
Die Rinden werden ein bis zwei Stunden in einer stark alkalischen Lösung
gekocht um alle Bestandteile außer der Faser wie Stärke, Fett, Pektin,
Wachs und Gummi zu lösen. Traditionell wurde dazu Pottasche, heute auch
Sodaasche verwendet. Nach dem Kochen wird das jetzt braune Wasser weggegossen
und die Rinden werden gewaschen. Traditionell geschieht das in einem Bambuskorb
in fließendem Wasser. Die Fasern lassen sich jetzt gut auseinanderziehen.
Bleichen der weißen Rinde
Eventuell werden die Rinden gebleicht. Traditionell wurde auf
natürliche Weise im Fluss gebleicht, was die Fasern schonte. Dazu wurden
die Rinden z.B. im flachen Wasser mit Steinen beschwert. Heute geschieht dies
meist mit der Hilfe von Chemikalien.
Entfernen von Schmutz und Fehlern
Die Rinden haben jetzt ein Aussehen, das an Seide erinnert.
Sie sind bereit zum Entfernen der Unreinheiten, genannt chiri-tori. Diese
Arbeit, die viel Geduld erfordert und sehr anstrengend ist, wird meist von Frauen
mittleren Alters gemacht. Die Rinden werden dazu im fließenden Wasser
eines Fluss oder in einer mit Wasser gefüllten Wanne bewegt. Unreinheiten
wie harte Stellen, Reste der dunklen Rinde, Beschädigungen der Rinde durch
Krankheiten oder Insekten und Dreck werden mit den Fingern entfernt. Zur Herstellung
von Papier höchster Qualität kann diese Prozess mehrmals wiederholt
werden. Danach werden die Stücke in Kugeln zusammengedrückt.
Schlagen
Die Kugeln werden nebeneinander auf ein hartes Holzbrett oder
eine steinerne Unterlage gelegt und mit einer Stange oder einem Hammer aus Hartholz
geschlagen. Auf diese Art werden die Fasern auseinandergezogen und behalten
gleichzeitig ihre Länge. Auch diese Arbeit wurde früher oft von Frauen
erledigt und dies während der Nacht, so dass das Material zum Papiermachen
am nächsten Morgen zur Verfügung stand. Dazu wurden Papiermach-Lieder
gesungen. Heute werden zum Schlagen oft Maschinen eingesetzt.
Papierschöpfen
Zum Schöpfen wird die Fasermasse in eine Wanne mit Wasser
gegeben und so gemischt, dass sich die Fasern vollkommen gleichmäßig
im Wasser verteilt haben. Es wird außerdem die schleimige Substanz
neri dazugegeben, die aus den Wurzeln der japanischen Pflanze
tororo-aoi (Hibiscus Manihot L.) gewonnen wird. Neri hat große
Bedeutung für die japanische Papierherstellung, weil es dafür sorgt,
dass die Fasern gleichmäßig im Wasser schweben und nicht absinken.
Es verlangsamt außerdem die Geschwindigkeit der abfließenden Schöpfmasse
und ermöglicht so eine größere Kontrolle über den Prozess
des Schöpfens. Heute gibt es auch chemisch hergestelltes neri.
Abb.: neri
Vor dem Schöpfen werden Fasermasse und neri in
einem Verhältnis von ca. 7:3 in die mit Wasser gefüllte Schöpfwanne
gegeben.
Die Masse wird mit dem Bambusrechen mase und mit einem
Stock gut gemischt. Am Tisch, auf den die geschöpften Papiere abgelegt
werden, werden Winkel befestigt, so dass die Papiere exakt aufeinaner zu liegen
kommen.
Es gibt in Japan zwei Arten des Papierschöpfens. Die eine
Methode, das tame-zuki, ähnelt der westlichen Methode. Der
Schöpfrahmen mit Sieb wird dabei in die Fasermasse in der Wanne getaucht
und einige Male vertikal und horizontal bewegt, bis das Wasser abgelaufen und
eine Schicht miteinander verschränkter Fasern im Sieb geblieben ist. Diese
Papierschicht wird dann auf einen Stapel gepresst, wobei die einzelnen Papiere
durch Stoff voneinander getrennt werden.
Die zweite Methode, die typisch für Japan ist, wird nagashi-zuki
genannt. Es wird geschöpft mit dem Schöpfrahmen keta, in
den das bewegliche Sieb aus Bambus su gelegt wird.
Das Schöpfen selbst beginnt mit dem sog. kesho-mizu:
mit einem kurzen Eintauchen und sofortigem Ausschütten des Wassers nach
hinten wird das Sieb mit einer dünnen Schicht Schöpfmasse bedeckt.
Dies ist wichtig für ein erfolgreiches Schöpfen, weil es verhindert,
dass Papiere zusammenkleben und so außerdem eine glatte Papieroberfläche
begünstigt.
Danach findet das eigentliche Schöpfen statt, wobei die Schöpfflüssigkeit
längere Zeit durch Bewegen des Rahmens vor, zurück und auch seitlich
über das Sieb geschickt wird. Bevor die ganze Flüssigkeit durch das
Sieb abgelaufen ist, wird der Rest aus dem Rahmen geworfen, wobei größere
Faserteile oder Knoten mit herausgeschüttet werden. Eventuell wird der
Vorgang wiederholt, bis das Papier entsprechend dick ist. Nach dem Schöpfen
wird der Rahmen geöffnet und das innere Sieb herausgenommen. Es wird dann
über den Kopf gehoben und auf den vor der Wanne stehenden Stapel mit den
schon geschöpften Papieren herabgelassen. Indem der Stapel an der Vorderkante
mit Wasser übergossen wird, löst sich die Papierschicht vom Sieb.
Auf das frisch geschöpfte Papier auf dem Stapel wird an der Vorderkante
eine dünne Schnur gelegt, so dass sich die Papiere später leicht voneinander
lösen lassen.
Pressen des Papiers
Das Papier ist nach dem Schöpfen sehr nass und kann in
diesem Zustand nicht getrocknet werden. Daher muss es gepresst werden, was eine
Kunst für sich ist, die langer Erfahrung bedarf. Die Kraft, mit der das
Papier gepresst wird, hat Einfluss auf das Endergebnis.
Früher wurden die Papiere mit kreuzweise übereinander gelegten Balken
oder in Schraubenpressen gepresst. Heute werden dafür oft hydraulische
Pressen oder sogar Wagenheber verwendet. Der Druck auf den Papierstapel, der
zwischen zwei Brettern liegt, muss langsam erhöht werden, um das Papier
nicht zu beschädigen.
Trocknen des Papiers
Nach dem Pressen kann das Papier getrocknet werden. Nach traditioneller
Methode werden die Papiere dazu mit einem breiten Pinsel aus Pferdehaar auf
Bretter aus Pinienholz aufgebürstet. Die Kanten der Papiere werden zusätzlich
mit einem feuchten Kamelienblatt angedrückt. Auf die Bretter aufgezogen
wurden die Papiere an der Sonne getrocknet. Heute werden Papiere auch auf elektrischen
Heizplatten getrocknet.
Letzte Arbeitsschritte
Sobald die Papiere trocken sind, werden sie Stück für
Stück abgenommen und grob in Qualitätsklassen geteilt. Vor dem Verkauf
werden sie zu einer letzten Auswahl untersucht. Jedes Papier muss eine bestimmte
Farbe und Dicke haben und frei von Fehlern sein. Danach werden sie möglicherweise
beschnitten und verpackt: ein schöner Moment für die Papiermacher.
Ich danke herzlich meinem Lehrer Okuda Yoshiharu (links), Kosaka
Masahiro (mitte), der Stadt Tsuna und allen anderen Beteiligten.
Literatur
Barrett, Timothy: "Japanese Papermaking: Traditions, Tools,
and Techniques”, New York & Tokyo: Weatherhill, 1983
Hunter, Dard: "Papermaking – The History and Technique
of an Ancient Craft”; Knopf, New York, 1943 und Neuauflage 1978
Jugaku, Bunsho: “Paper-making by hand in Japan”,
Meiji-Shobo Publishers, Tokyo, 1959
Narita, Kiyofusa: “Japanese papermaking”,
Hokuseido Press, Tokyo, 1954
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