"Das schönste und vornehmste unter allen bekannten
modernen photomechanischen Reproduktionsverfahren ist die Photogravure."
S. Gottlieb, Ausübung der Heliogravüre, 1905
Die Heliogravure oder Photogravure
( früher auch Mezzotinto,- Intaglio,- oder Rembranddruck) ist
ein altes Tiefdruckverfahren zur Übertragung photographischer
Vorlagen auf die Kupferplatte. Dabei wird die mit einem Aquatintakorn
gekörnte Platte mit einer lichtempfindlichen Gelatineschicht
beschichtet, welche sich nach der Belichtung durch ein Positiv selektiv
lösen lässt. Mit dem Ätzen in mehreren Säurebädern
von unterschiedlicher Konzentration werden feinste Graustufen erzeugt,
wobei keine Rasterung notwendig ist.
Die Photogravure ermöglicht es, die wirklichkeitsgetreue Wiedergabe
eines Fotos mit der Ästhetik einer Druckgraphik zu verbinden.
Die erzielbare Nuancierung der Tonwerte und feinster Körnung
ist ausgezeichnet und wird lediglich vom Lichtdruck eingeholt. Das
Verfahren vereint photographische und drucktechnische Möglichkeiten
mit nahezu unbeschränktem Kombinationspotential.
Geschichte
Die Entstehung der Photogravure ist eng mit den Anfängen der
Photographie verbunden. Als in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
europaweit an den Prinzipien der Photographie geforscht wurde, wurden
auch die Vorstufen der Photogravure erarbeitet.
Erste Versuche, die Photogravure zur Vervielfältigung von Radierungen
zu verwenden, gelangen dem Franzosen Joseph Niepce in den 1820er
Jahren, der bereits lichtempfindliche Schichten (in Petroleum gelösten
Asphalt) auf Zinnplatten auftrug, welche danach belichtet, geätzt
und gedruckt werden konnten. Nachfolgend machte Grove 1841 ein Verfahren
bekannt, um Daguerresche Platten zu ätzen und druckbar zu machen.
Bahnbrechenden Anteil an der Erfindung der Photogravure hatte
Mungo Punton, der zeitgleich mit der Erfindung der Fotografie bereits
1839 seine Forschungsergebnisse über lichtempfindliche Bichromatlösungen
auf organische Stoffe (Gelatine, Eiweiß) publizierte.
Der Engländer Talbot (Patentschrift 1852) entwickelte ein Verfahren,
bei dem eine Stahlplatte mit Chromgelatine beschichtet, belichtet
und (unter späterer zu Hilfenahme eines Aquatintakorns - 1858)
in Platinchlorid geätzt wurde, womit er als Vorläufer
des Klic`schen verfahren gelten kann.
Pretsch (Wien) und Poitevin (Paris) waren die Ersten, welche fast
gleichzeitig (1854) Bichromatsalze als photogenetische Substanzen
in Verbindung mit Gelatine zur Herstellung heliographischer Platten
durch Aufquellung nutzten.
Als Erfinder der Heliogravure gilt Karl Klic (1879)
aus Österreich, der Talbots Verfahren mit dem von dem Engländer
Swan erfundenen Verfahren der Einbeziehung des Pigmentpapiers in
den Prozess zur phototechnischen Übertragung verband.
(Klic, geb. 1841, studierte an der k.k. Malerakademie in Prag. Er
half seinem Vater ein photograpisches Atelier einzurichten und lernte
dort die Photographie kennen. 1867 arbeitete Klic in Pest als Zeichner
mit chemischer Tusche für Hochätzung, von 1873-74 war
er an den Wiener Aetzanstalten tätig (nach Eder).)
In den ersten Jahren der Fotografie bestanden zwei wesentliche Probleme
für die Reproduktionstechnik von Auflagen:
a) die Haltbarkeit von originalen Fotografien hinsichtlich Tönen
und Materialien und
b) die qualitative Vervielfältigung großer Auflagen mittels
Drucktechnik.
Die Photogravure löste dieses Problem als Tiefdruckverfahren
mittels Schnellpressen.
Damit erfuhr das Verfahren in der damaligen Zeit sehr an Bedeutung
und wurde in vielen Modifikationen technisch und künstlerisch
angewendet.
Technik
Als Vorlagen für die Photogravure dienen gut durchzeichnete
Positive. Von einem brauchbaren Fotonegativ, das auf die Kupferplatte
übertragen werden soll, muss zunächst in der Dunkelkammer
ein entsprechend großformatiges Halbtonpositiv hergestellt
werden.
Abb.: Halbtonpositiv
Auf die Kupferplatte wird in klassischer Weise ein Aquatintakorn
aufgebracht (alternativ kann das Trägermaterial, das sog. Pigmentpapier
mit einer Rasterfolie belichtet werden). Für die spätere
Belichtung wird Pigmentpapier, ein mit Gelatine beschichtetes Papier,
in einem Bad mit Chromsäuresalz ( 2-3%ige Kaliumbichromatlösung
– hochgiftig) sensibilisiert. Nach dem Trocknungsprozeß
wird das Photopositiv kontrolliert mittels Stufengraukeil auf das
Pigmentpapier belichtet.
Abb.: Belichtungsanlage mit UV-Licht, Montage von Positiv und Graukeil,
rechts liegend das sensibilisierte Pigmentpapier, das zur Belichtung
auf die montierte Vorlage gepresst wird
Um das belichtete Pigmentpapier anschließend auf die Kupferplatte
übertragen zu können, wird es erneut in einer Schale mit
kaltem Wasser gewässert. Die dabei aufweichende Gelatineschicht
des Pigmentpapieres wird direkt mittels Rollenquetscher auf die
gekörnte Kupferplatte fixiert. Nachfolgend wird in ca. 40 Grad
heißem Wasser die Gelatine gezielt erwärmt und erweicht
und zunächst die Papierschicht des Pigmentpapieres vorsichtig
entfernt. Die selektive Belichtung der Schicht hat dazu geführt,
daß unbelichtete Bereiche an Gelatine löslich geblieben
sind, während belichtete Gelatine Komplexe gebildet hat und
damit teilweise oder vollständig unlöslich wurde. So kann
die Gelatine graduiert ausgewaschen werden, wonach die Gelatineschicht
den Grauwerten entsprechend unterschiedliche Stärken aufweist.
Abb.: Entwickelte Platte
Nach dem Trocknen wird die Platte nacheinander in mehreren Säurebädern
unterschiedlicher Konzentration von Eisen-3-chlorid und Wasser geätzt,
wobei mit dem Bad mit der höchsten Konzentration begonnen wird.
Je wässriger die Säure ist, desto mehr quillt die Gelatineschicht
auf und legt immer mehr Stellen des Kupfers zur Ätzung frei,
so dass die Kupferplatte den Grauwerten entsprechend verschieden
tief geätzt wird und feinste Tonwerte entstehen.
Abb.: Ätzen der Platte in verschiedenen Säurebädern;
links das erste und stärkste Bad, in dem die dunkelsten Töne
gerade anfangen zu ätzen, rechts das letzte und schwächste
Bad, wo inzwischen auch die hellsten Töne geätzt sind.
Das Fortschreiten der Ätzung wird anhand des Graukeils (am
rechten Rand der Platte) beobachtet.
Danach wird die restliche Gelatineschicht von der Platte gelöst.
Die Platte kann nun als Tiefdruck gedruckt werden.
Abb.: Entfernen der restlichen Gelatine und des Aquatintakorns
Abb.: Der fertige Druck
Literaturhinweise
Barnier: "Coming into Focus – a step by step guide to
alternative photographic printing processes"
Crawford: " Keepers of light – a history and working
guide to early photographic processes"
Eder: "Das Pigmentverfahren und die Heliogravure", Halle,
1899
Eder: "Pigmentverfahren", Halle, 1926
Gottlieb:" Praktische Anleitung zur Heliogravüre",
Halle, 1905
Heidtmann: "Kunstphotographische Edeldruckverfahren Heute",
Berlin-Verlag, 1978
Husnik: "Die Heliogravüre", Wien, 1888
Kempe, Fritz: "Kunstfotografie um 1900 in Deutschland"
(Ausstellungskatalog), 1982
Kühn: "Die Technik der Lichtbildnerei", Halle, 1921
Morrish/MacCallum: "Copper Plate Photogravure", Focal
Press, 2003
Renger-Patzsch: "Das Tuschreliefverfahren...", 1912
Schuldes/Sprang: "Heliogravüre", Ravensburger,1981
Spitzing: "Metallätzen nach Fotos", Frech Stuttgart,
1973
Stieglitz: "Camera Work", Taschenbuchverlag
Volkmer, Ottomar: "Die Photo-Gravure...", Halle 1895
Herzlichen Dank an Georg Thunert für die Mitarbeit an diesem
Artikel.
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